Logistikwissen zum Durchstarten

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Führen in der Pandemie
Von DVZ Redaktion

Seit einem Jahr hält die Covid-19-Pandemie die Welt in ihrem Würgegriff – und eine echte Entspannung der Situation ist noch lange nicht in Sicht. Reisebeschränkungen, Homeoffice, Videokonferenzen bestimmen den Arbeitsalltag; das Führen eines Logistikunternehmens ist zur Rund-um-die Uhr-Aufgabe geworden. Oder ist alles doch nur halb so dramatisch?

Die gute Nachricht vorweg: Zwar haben sich die Abläufe in den meisten Transport- und Logistikunternehmen geändert, das aber hat der Motivation der Mitarbeitenden ganz offensichtlich keinen Abbruch getan. Unisono berichten Geschäftsführer und Personalleitende verschiedener Speditions- und Logistikunternehmen auf Nachfrage der DVZ, dass ihre gewerblichen und kaufmännischen Beschäftigten nach wie vor mit vollem Einsatz dabei sind. Allerdings wird die Produktivität gelegentlich durch technische Schwierigkeiten zum Beispiel bei der Anbindung der Homeoffice-Arbeitsplätze an die firmeneigenen IT-Systeme eingeschränkt.

Aufwand versus Effizienzgewinne

Die große Herausforderung war für alle Unternehmen, die Organisation der Prozesse an die neue Situation anzupassen. Dabei ging es vor allem um die Umsetzung der Hygienestandards, den Aufbau der technischen Infrastruktur für das mobile Arbeiten, bauliche Maßnahmen und die Einrichtung einer neuen Kommunikationsstruktur, berichtet zum Beispiel Dachser-CEO Burkhard Eling. „Auf der anderen Seite haben Videokonferenzen und der Wegfall von Reisezeiten die Prozesse effizienter gemacht“, skizziert er einen positiven Aspekt der neuen Arbeitsorganisation. Das bestätigt auch Stefan Ulrich, CEO von Simon Hegele: „Der mit dem Homeoffice verbundene Arbeitsmodus fordert eine höhere Disziplin bei der internen Abstimmung – aber insgesamt haben wir erstaunlich gute Erfahrungen damit gemacht.“

Das Führen der Mitarbeitenden erfolgt nicht mehr nebenbei über den täglichen informellen Austausch – es werden explizit Termine für den digitalen Austausch eingeplant.

Christiane Brüning, Head of Corporate Communications bei Hellmann Worldwide Logistics

Führen ohne direkten Kontakt

Zwar ist der Wechsel der kaufmännischen Belegschaft in das Homeoffice bei den meisten Logistikunternehmen vergleichsweise reibungslos über die Bühne gegangen, allerdings sind mit der neuen Organisationsform die Anforderungen an die Führungskräfte gestiegen. So heißt es bei Hellmann Worldwide Logistics, dass die Vorgesetzten zeitnah kommunizieren und individueller führen müssen. Dazu stehen ihnen verschiedene neue, digitale Lösungen wie virtuelle Teammeetings, Mitarbeitergespräche, Teamveranstaltungen oder auch Onboarding-Tools zur Verfügung. Darüber hinaus wurden digitale Möglichkeiten zur Leistungsüberprüfung und der Zielerreichung geschaffen.

Um die Führungskräfte fit für die neuen Aufgaben zu machen, hat der Logistikdienstleister unter dem Begriff „Spotlight Führung“ ein digitales Lernprogramm entwickelt, über das alle zwei Wochen sogenannte Learning Nuggets – also kompakte Trainings – zu Führungswerkzeugen angeboten werden. Dabei geht es um konkrete Tipps zur digitalen Führung, zum Beispiel wie man ein digitales Beurteilungs- oder Kritikgespräch strukturiert. Doch obwohl es solche Möglichkeiten gibt, tut sich mancher Vorgesetzte mitunter etwas schwer mit der Führung auf Distanz. „Was uns fehlt, ist die spontane Begegnung auf dem Flur oder in der Teeküche“, erklärt Julia Wieland, Head of Human Relations bei der Zufall Logistics Group – eine Erkenntnis, die wohl viele Menschen in der Branche teilen.

Die Pandemie ist ein wirklicher Treiber digitaler Formen der Zusammenarbeit. Dies wird auch langfristig Arbeitsplätze verändern.

Julia Wieland, Head of Human Relations bei der Zufall Logistics Group

Ansätze für die Post-Coronazeit

Die Veränderungen der Arbeitswelt, die sich im Zuge der Coronakrise eingestellt haben, werden zu einem guten Teil auch in der Zeit nach der Pandemie Bestand haben – da sind sich die Teilnehmer der DVZ-Umfrage weitgehend einig. Vonseiten der Stückgutkooperation System Alliance heißt es zum Beispiel, dass geprüft wird, ob die Mitarbeitenden ihre Tätigkeiten auch künftig im Homeoffice ausüben können. Das spiele vor allem bei der Umsetzung des Work-Life-Balance-Ansatzes, also der Vereinbarkeit von Arbeit und Familie, eine große Rolle.

Darüber hinaus werden auch die neuen, digitalen Formen der Zusammenarbeit weiter fortgeführt. „Die Pandemie hat uns gezwungen, IT-seitig Dinge auszuprobieren, die wir nicht bis ins letzte Detail ausgearbeitet haben. Aber sie hat auch mit Sicherheit vieles beschleunigt und verändert die Art der Arbeit“, skizziert Dachser-Chef Eling seine Erwartung.

Zufall-Personalchefin Wieland geht sogar noch einen Schritt weiter: „Das Homeoffice wird ein fester Bestandteil unserer Arbeitswelt, denn es ist der perfekte Ort, um ungestört ‚abzuarbeiten‘ oder sogenannte Deep Work zu erledigen.“ Das eröffnet auch Möglichkeiten, neue Bürokonzepte umzusetzen und mehr Raum für die Begegnung in kollaborativen Teams oder Rückzugsorte zu schaffen – auch wenn die Mitarbeiter dann auf einen eigenen Schreibtisch verzichten müssen. Ähnlich verfährt auch Hellmann: Ab dem 1. April gilt die Konzernbetriebsvereinbarung, derzufolge die kaufmännischen Angestellten ihren Arbeitsort nach Absprache flexibel wählen können – je nachdem, in welchem Umfeld sie am produktivsten sind.

Die Pandemie hat uns IT-seitig gezwungen, Dinge auszuprobieren, die wir nicht bis ins letzte Detail ausgearbeitet haben.

Burkhard Eling, Chief Executive Officer von Dachser

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