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Kaiko-Systems-Gründer Fussek: „Wir benötigen mehr Kooperation in der Branche“
Von Frederic Witt

Kaiko Systems hat ein intelligentes Tool entwickelt, mit dem die Schiffsbesatzung kontinuierlich, umfassend und zuverlässig relevante Informationen zum aktuellen Schiffszustand erfassen kann. Im Interview erklärt Mitgründer Fabian Fussek, wie er dazu beitragen will, Zwischenfälle auf Handelsschiffen zu vermeiden und die Ausfallzeiten zu reduzieren.

DVZ: Herr Fussek, Sie haben das Start-up Kaiko Systems mitgegründet. Wie ist es dazu gekommen?

Fabian Fussek: Ich habe mich in den Monaten zuvor mit vielen Nachhaltigkeitsthemen auseinandergesetzt und bin darüber dann zur Schifffahrt gekommen. Da ging es zunächst um die Erhaltung von Korallenriffen oder um Fischschwärme und Wale. Da ist dann aufgefallen, dass es erstaunlich viele Unfälle mit Walen und Handelsschiffen gibt. Somit sind wir bei der Schifffahrtsindustrie gelandet.

Welche Probleme sind Ihnen dort aufgefallen?

Wir haben gesehen, dass es in der Branche noch viel Ineffizienz gibt. Durch die richtige Nutzung von Daten gibt es in vielen Bereichen noch Optimierungspotenzial. Wir bei Kaiko Systems fokussieren uns auf die Zustandsdaten der Schiffe, das sogenannte „Vessel Health“. Hier versuchen wir nun, Profitabilität und Nachhaltigkeit zu verbinden. Meines Erachtens müssen Nachhaltigkeitsziele immer auch ein Teil der Unternehmensziele sein.

Mit Kaiko Systems wollen Sie nun die Schifffahrt sicherer und zudem profitabler machen. Wie soll das gelingen?

Wir sammeln Daten über den Zustand des Schiffes und verwerten diese auf ganz unterschiedliche Art und Weise. Hierbei arbeiten wir sehr eng mit dem technischen Manager des Schiffs zusammen, um diesen bei der Sammlung von technischen Zustandsdaten wie der Korrosion von Oberflächen, der Funktionalität der Brandschutz- und Sicherheitsausstattung oder der Laufstunden der Maschinen zu unterstützen. Dabei setzen wir auf unterschiedliche Datenströme. Zum einen statten wir die Crew mit einer mobilen App aus, mit der diese ihre wöchentlichen und monatlichen Routine-Inspektionen in strukturierte Daten übersetzen kann. Aktuell wird in diesem Bereich häufig noch mit Digitalkameras und schriftlichen Checklisten gearbeitet. Diese Informationen werden dann in digitale Vorlagen überführt. Das läuft momentan noch sehr unstrukturiert und zeitaufwendig ab. Das wollen wir mit unserem integrierten System, das auf dem Smartphone läuft, ersetzen.

Wie ist es zur Gründung von Kaiko Systems gekommen?

Die Gründungsgeschichte von Kaiko Systems beginnt mit dem Company Builder Flagship Founders und der Reederei Auerbach in Hamburg. Flagship Founders ist der erste Company Builder, der sich auf maritime Technologien, Logistik und Schifffahrt fokussiert. Mit diesen beiden Partnern haben wir zusammen die Idee entwickelt. Der Ursprungsgedanke war, dass wir Daten in der Schifffahrt mehr und strukturiert nutzen müssen. Das Thema haben wir dann gemeinsam auf den Bereich „Vessel Health“ und Zustandsdaten gelenkt. Hier haben wir das größte Potenzial gesehen. Im Oktober letzten Jahres wurde Kaiko Systems dann mit dem Ziel gegründet, die Schifffahrt sicherer und profitabler zu machen.

Wo stehen Sie heute knapp ein halbes Jahr nach Gründung des Start-ups?

Wir haben gerade eine sechsstellige Finanzierungsrunde abgeschlossen und sind sehr zufrieden damit, sowohl Tech-Investoren als auch Industrievertreter an Bord zu haben. Momentan stellen wir jeden Monat weitere Mitarbeiter an. Aktuell besteht das Team aus etwa zehn Personen; die meisten davon sind in der Softwareentwicklung und im Produktmanagement tätig. Darüber hinaus haben wir auch noch Expertise aus dem Schiffsingenieurwesen in unserem Unternehmen. Neben der Weiterentwicklung des Teams intensivieren wir die Geschäftsentwicklung insbesondere im deutschen Raum, aber auch europaweit. Europa ist einer der weltweit größten Schifffahrtsmärkte, wobei vor allem Deutschland, Griechenland, aber auch die Niederlande, Dänemark und zum Beispiel Schweden sehr weit entwickelt und dynamisch sind.

Welche weiteren Datenströme wollen Sie für Ihr System künftig nutzen?

Der nächste Entwicklungsschritt für uns ist das Thema Sensorik. Wir wollen die wichtigsten Aggregate im Maschinenraum, aber auch sonstige Anlagen an Bord wie etwa Kräne mit Sensorik ausstatten und dann in Echtzeit Daten erfassen. Diese Daten sollen dann wiederum mit auf unserer „Vessel Health“-Plattform gespeichert und verwertet werden.

Der Kern ihres Angebots ist also die „Vessel Health“-Plattform.

So ist es. Die Plattform ist momentan sehr stark auf den technischen Manager ausgelegt, damit dieser seine Kernaufgabe, also die Optimierung des Zustands, gewährleisten kann. Im nächsten Schritt wollen wir aber auch die Kollaboration mit dem Ökosystem ermöglichen.

Was ist damit konkret gemeint?

Alle Stakeholder in der maritimen Industrie, also der technische Manager, der Eigner sowie Charterer und Versicherungen müssen besser zusammenarbeiten. Die einzelnen Akteure brauchen stärkere Incentives, um Daten miteinander zu teilen. Hier setzt unsere Plattform gerade erst an und bietet eine Quelle für verifizierte Zustandsdaten, die miteinander geteilt werden können. Damit kann mehr Effizienz geschaffen und Sicherheit gewährleistet werden.

Das klingt nach ambitionierten Zielen, die nicht von heute auf morgen erreicht werden können. Was sind die nächsten Schritte für Sie und ihr Startup?

Der Fokus liegt zunächst ganz klar auf  den Zustandsdaten. Da sind wir sowohl bei der Erfassung als auch der Verifizierung und Verarbeitung der Daten  besonders im Kontext von Sicherheit schon sehr weit. Im Anschluss geht es dann um die Vernetzung des Ökosystems. Hier arbeiten wir bereits in alle möglichen Richtungen mit vielen Partnern und Kunden aus der Industrie zusammen.

Welche Rückmeldungen haben Sie bislang aus der Industrie erhalten?

Wir bekommen sehr viel Unterstützung aus der Branche und sehen eine große Offenheit, was das Thema angeht. Hier bewegt sich gerade sehr viel und davon profitieren auch wir. Nun wollen wir so schnell wie möglich die gegebenen Möglichkeiten nutzen. Hier hilft uns natürlich auch die aktuelle Testphase, die wir bei der Orion Reederei durchlaufen. Dort wird unser Produkt momentan auf einem Teil der Flotte eingesetzt. Zudem ist der Austausch mit unserem Gründungspartner, der Auerbach Reederei, sehr hilfreich.

Welche weiteren Partner gibt es?

Wir arbeiten neben weiteren Reedereien auch bereits mit einer größeren Bank in einem Pilotprojekt zusammen und befinden uns darüber hinaus in guten Gesprächen mit weiteren Teilnehmern des Ökosystems, etwa mit Versicherungen.

Hat auch die Coronakrise zu dieser größeren Offenheit gegenüber neuen digitalen Lösungen geführt?

Tatsächlich haben viele Stakeholder durch die Krise gesehen, dass man künftig nicht mehr so stark auf die persönliche Präsenz angewiesen sein darf. Alle unsere Gesprächspartner sind offen für innovative Lösungen, solange diese ihnen einen klaren Benefit liefern.

Welche Vision haben Sie mit Kaiko Systems für die kommenden Jahre?

Der zentrale Punkt ist für mich, die Stakeholder stärker zusammenzubringen. Wir benötigen mehr Kooperation in der Branche, um die Versprechungen der Technologie erfüllen zu können. Höhere Effizienz, mehr Nachhaltigkeit, höhere Sicherheit kann nur erreicht werden, wenn die einzelnen Teilnehmer zusammenarbeiten. Kaiko Systems soll der Möglichmacher dieser Zusammenarbeit sein. Wir wollen in den kommenden Jahren einen Großteil der maritimen Industrie auf unserer Plattform vernetzen, damit diese gemeinsam auf eine Datenbasis zugreifen kann, die verlässlich ist. Damit können wir massiv zu mehr Sicherheit für Menschen und Umwelt auf den Ozeanen beitragen.

Herr Fussek, vielen Dank für das Gespräch.

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