Von Claudia Behrend
Während der Pandemie mussten Jungunternehmer durch schwierige Gewässer steuern. So mancher hat jetzt aber gute Chancen, durchzustarten. Die DVZ hat sich bei Start-up-Vertretern aus verschiedenen Bereichen umgehört.
Synaos, Hannover
„Zu Beginn der Pandemie im Frühjahr 2020 gingen viele Kunden und wir natürlich auch erst einmal in den Safety-Car-Modus“, berichtet Wolfgang Hackenberg, Geschäftsführer und Mitgründer von Synaos. Das habe – wie in den meisten anderen Industrien auch – zu einigen Verzögerungen bei Produkteinführungen und Projektplanungen geführt. „Dieser Zustand kehrte sich dann aber recht schnell um, weil es uns gelungen ist, den Nutzen beziehungsweise die Relevanz unserer Lösung gerade in einer global untypischen Ausnahmesituation zu kommunizieren“, sagt Hackenberg und weiter: „Unterm Strich sehen wir heute ganz klar einen höheren Bedarf als vor zwei Jahren.“
Im Zuge der Pandemie sei die Bereitschaft, auf digitale Lösungen zu setzen, weiter gestiegen. Dieser Digitalisierungstrend habe auch der Intralogistik einen deutlichen Schub gegeben: „Verlässliche Automatisierung ist per se noch wichtiger geworden, und wir freuen uns, dass Synaos dazu einen wichtigen Optimierungsbeitrag leistet. Dass wir komplett herstellerunabhängig sind, macht uns für die Kunden besonders interessant, weil sie sich so ihre eigene Flexibilität bewahren“, sagt Hackenberg und fügt hinzu: „Das merken wir sowohl in Bezug auf unser Produkt als auch bei der digitalen Umsetzung von Projekten und Rollouts.“
Synfioo, Potsdam
„Wir nehmen eine stark gestiegene Nachfrage nach unserer Lösung wahr, da die Corona-Pandemie vielen Unternehmen gezeigt hat, wie wichtig Supply-Chain-Transparenz ist“, berichtet Marian Pufahl, CEO und Mitgründer von Synfioo. Da Lieferketten immer komplexer und zunehmend verkehrsträgerübergreifend würden, steige auch die Gefahr von Störungen im Geschäftsablauf. Dies geschehe nicht unbedingt nur durch Corona, sondern auch Wetterumbrüche, Staus an Grenzübergängen und Verzögerungen an Umschlagplätzen nehmen Einfluss. „Wer seine Lieferkette also genau kennt, alle Beteiligten miteinander vernetzt und ihnen Zugang zu relevanten Informationen gewährt, hat in diesem Szenario die Nase vorn“, unterstreicht Pufahl.
Daher unterstütze das Start-up mit End-to-End-Transparenz für jede einzelne Transportmodalität – ob Straße, Schiene, Binnenwasserstraße, See- oder Luftfracht. „Mit frühzeitigen Meldungen im Störungsfall und präzisen Ankunftszeitprognosen (ETA), die auf mehr als 70 externen Datenquellen und modernen Machine-Learning-Algorithmen basieren, können Unternehmen schnell auf diese Herausforderungen reagieren, Transport- und Planungsprozesse besser koordinieren und finanzielle Verluste vermeiden“, fügt der CEO hinzu.
Die Pandemie und ihre Folgen hätten einen großen Druck auf das Transportgeschäft ausgeübt – „und tun es immer noch“. Dazu komme eine globalisierte Wirtschaft, in der Unternehmen schneller auf Veränderungen reagieren müssen und das klassische Lieferkettenmanagement ausgedient habe. „Stattdessen ist ein starkes, im Optimalfall komplett digitalisiertes Supply Chain Management ausschlaggebend, um langfristig erfolgreich zu sein“, betont Pufahl.
Seven Senders, Berlin
Der internationale Paketversand hat deutlich zugelegt. „23 Prozent aller Onlineverkäufe in Europa finden bereits über Grenzen hinweg statt – und mit einem weiteren Anstieg ist zu rechnen“, berichtet Thomas Hagemann, Mitgründer und Co-CEO von Seven Senders. Diese Entwicklung wirkt sich positiv auf das Geschäft der Berliner aus, die Versender mit einem Carrier-Netz aus über 100 Paketzustellern in Europa verbinden.
Die Pandemie habe zudem vielen Onlinehändlern verdeutlicht, wie wichtig eine hohe Flexibilität in der Logistik ist, um auf regional wechselnde Bestimmungen und Einschränkungen bei der Lieferung umgehend reagieren zu können. Außerdem habe die Corona-Krise entscheidend die Akzeptanz für digitale Lösungen in der Logistik erhöht: „Herausforderungen wie unterbrochene Lieferketten durch Containerstaus an Häfen oder am Boden gebliebene Flugzeuge haben vielen Unternehmen deutlich gemacht, dass ein schnelles, effizientes und flexibles Agieren passgenaue Onlinetools erfordert“, sagt Hagemann weiter. Deren Einsatz gewährleiste mehr Transparenz innerhalb der Lieferkette und ermögliche dadurch eine effizientere Planung sowie ein frühzeitiges Erkennen möglicher Lieferengpässe.
Diese digitale Transformation werde sich fortsetzen und sich auf die einzelnen Prozesse innerhalb der Lieferketten zunehmend ausweiten. Darüber hinaus habe sich beispielsweise auch die Zusammenarbeit mit lokalen Carriern vor Ort bewährt: „Sie wird auch in Zukunft eine Rolle spielen, da lokale Carrier nicht nur ein geringeres Ausfallrisiko haben, sondern auch flexibel einsetzbar sind”, erwartet Hagemann. Das Unternehmen geht davon aus, dass sich der Onlinemarkt wie vor der Pandemie weiterentwickeln wird – allerdings auf einem höheren Niveau.
Smartlane, München
Die Kunden von Smartlane sind Speditionen und Stückgutlogistiker. „Sie mussten aufgrund des gigantischen Sendungsaufkommens in Corona-Zeiten allein 2021 bis zu 130 Millionen Stückgüter bewältigen“, sagt Geschäftsführerin Monja Mühling. Um eine höhere Umschlaggeschwindigkeit zu erzielen, hätten sie verstärkt auf automatisierte Prozesse in der Disposition gesetzt. „Durch den Einsatz unserer cloud-basierten Software zur Transportoptimierung haben sie deutlich mehr Waren auf die Straße gebracht und ihr Unternehmen zugleich zukunftsfähig ausgerichtet“, fügt Mühling hinzu.
Nach einer langen Anlaufphase zeichne sich nun eine zunehmende Dynamik bei der digitalen Transformation ab, beobachtet sie. Diese Entwicklung werde unter anderem durch den Fachkräftemangel, steigende Energiepreise und ein wachsendes Umweltbewusstsein beeinflusst. Hinzu komme neben dem Wettbewerbsdruck durch digitale Speditionen der pandemiegetriebene Anstieg des Sendungsvolumens. Das bringe die manuelle Disposition vieler Speditionen an die Grenzen. „Sie werden praktisch gezwungen, das gestiegene Sendungsvolumen so ressourcenschonend und effizient wie möglich zu disponieren.“ Die Digitalisierung der Disposition bedeute damit nicht mehr nur eine betriebswirtschaftliche Optimierung, sondern werde zum Überlebensfaktor. „Diese Umwälzungen führen zu einem Umdenken – der Markt öffnet sich für die digitale Transformation, die Technologieangebote nehmen zu“, stellt Mühling fest.
Rail-Flow, Frankfurt
„Wir haben das Unternehmen Rail-Flow zu Beginn der Corona-Pandemie gegründet. Den Bedarf, Schienentransporte einfach zugänglich zu machen, haben wir vorher bereits erkannt“, berichtet CEO und Co-Founder Dominik Fürste. Durch die Arbeit im Homeoffice und um das Geschäft aufrechterhalten zu können, hätten viele Unternehmen kurzfristig auf digitale Lösungen umsteigen müssen. „Das hat auf unser Geschäft einen indirekten Einfluss: Das Verständnis für die Notwendigkeit digitaler Lösungen ist in dieser Zeit generell gestiegen“, stellt Fürste fest. Die Corona-Krise sei daher ein Beschleuniger für digitale Transformation.
„Durch unsere Plattformlösungen schaffen wir Transparenz darüber, welche Anbieter und Kapazitäten verfügbar sind.“ Dies biete Lösungen für Herausforderungen, die zwar bereits vor Corona bestanden, durch die Pandemie aber noch deutlicher zu Tage getreten seien. So zum Beispiel der Lkw-Fahrermangel. Mit dem Tool für die Kapazitätsvermittlung könnten mehr Güter auf die Schiene gebracht werden. Das würde dem Fachkräftemangel bei Truckingunternehmen zumindest teilweise entgegenwirken. Fürste: „Dieser Effekt hat also die Nachfrage nach unseren Lösungen noch einmal befeuert.“ Zusätzlich seien durch Ereignisse wie die Suezkanal-Blockade Alternativen benötigt worden. „Da konnten wir mit guten Lösungen dienen – wie zum Beispiel mit unserem Purchase & Tender Management. Generell treffen wir mit unseren Lösungen also den Zeitgeist.“
Packwise, Dresden
„Die Bedeutung unserer digitalen Lösung wurde im Umfeld der globalen Lieferschwierigkeiten offensichtlicher, da sie einen effizienten Umgang mit Ressourcen fördert und bessere Planbarkeit ermöglicht“, sagt Gesche Weger, Geschäftsführerin und Mitgründerin von Packwise. Zugleich stellt sie fest, dass die akute Materialknappheit dazu geführt habe, dass manche Unternehmen nicht genügend Zeit und Ressourcen für digitale Projekte hatten.
Zu Beginn der Pandemie nutzte das Dresdner Start-up die zusätzliche Zeit – beispielsweise durch abgesagte Veranstaltungen – unter anderem für die Weiterentwicklung des Sensors für IBC (Intermediate Bulk Container) und der dazugehörigen Software. „Allerdings verlangsamte sich gleichzeitig unser Kontaktaufbau, was wir nur bedingt durch Onlineaktivitäten aufholen konnten“, erinnert sich Weger. „Mit unseren Kundenprojekten sind wir trotz allem gut vorangekommen und konnten Termine problemlos online stattfinden lassen.“ Jedoch seien die Kunden in der Chemieindustrie vor allem gegen Ende 2021 durch globale Lieferengpässe sehr stark eingebunden gewesen, so dass es dort teilweise zu Verzögerungen in den Projekten kam.
„Wir merken, dass die Krise die digitale Transformation stark vorantreibt“, unterstreicht die Geschäftsführerin. Die Packwise-Lösung verschaffe den Unternehmen Transparenz über ihre Lieferketten durch das Tracking von Containern, wodurch eine bedarfsgerechte Belieferung und zeitnahe Rückführung von Containern ermöglicht werde. „Gerade dort, wo Engpässe bei Materialien und Verpackungen vorhanden sind und Unternehmen vor große Herausforderungen stellen, wird das Potenzial von mehr Transparenz und digitaler Transformation erkannt“, stellt Weger fest.
Flagship Founders, Berlin
„Die Auswirkungen der Krise auf die Schifffahrtsbranche sind vielfältig“, berichtet Fabian Feldhaus, Geschäftsführer der Berliner Company Builders Flagship Founders. Es gebe viele Herausforderungen, aber auch positive Effekte, was unter anderem die gestiegenen Frachtraten zeigten. Das wirke sich auch auf das Geschäft aus: „Es ist mehr Geld im Markt, das sehen wir an der Bereitschaft vieler Player, sich mit neuen digitalen Lösungen zu beschäftigen und auch an den Investitionen in unsere Start-ups“, sagt Feldhaus und fügt hinzu: „Es ist, als habe die Branche nach zehn Jahren knapper Ressourcen und Krise Luft zum Atmen.“ Viele Unternehmen könnten nun ihre Digitalisierung vorantreiben. Insgesamt habe sich die maritime Wirtschaft durch die Pandemie eher gut entwickelt und einen „digitalen Sprung“ gemacht.
„Die Krise hat die Digitalisierung des maritimen Sektors laut Studien um drei Jahre beschleunigt, ähnliches gilt für andere Logistikbereiche“, sagt Feldhaus. Bei fragilen Lieferketten brauche es Lösungen, um operative Prozesse zu optimieren. Die weltweite Überlastung in den Häfen etwa bringe massive Verzögerungen bei der Be- und Entladung von Schiffen mit sich. Durch Transparenz und Effizienzsteigerung entlang der Supply Chain ließen sich die Folgen abmildern. „Ob Automatisierung von Crew Management, wie unser eigenes Start-up Tilla sie bietet, digitales Risikomanagement oder Kapazitätenplanung: Wenn die Lieferketten so brüchig sind wie jetzt gerade, ist Digitalisierung der einzige Weg“, ist Feldhaus überzeugt. „Das scheint in der gesamten Logistik angekommen zu sein. Insofern ist die Krise ein Digitalisierungs-Katalysator.“