In Österreich wird aktuell darüber diskutiert, den Beruf des Lkw-Fahrers als sogenannten Mangelberuf zu deklarieren. Der Grund für diese scheinbare Formalie ist, dass Unternehmer dadurch offene Stellen einfacher mit Menschen aus Drittstaaten besetzen können, weil die Voraussetzungen für einen Arbeitsmarktzugang so deutlich herabgesetzt werden.
Seit 2019 wurde die Liste der Mangelberufe in Österreich sukzessive erweitert; von 27 auf heute 118. Die Zuwanderung aus Nicht-EU-Ländern wird also generell stark gefördert, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken.
Ende des „Lenkrad-Lohnsklaventums“ gefordert
Allerdings ist im Nachbarland längst nicht jeder der Auffassung, dass die Lösung des Fahrermangels in verstärkter Zuwanderung liegt. „Es gibt nicht zu wenig Fahrer, sondern zu viel Transit“, meint Fritz Gurgiser, Obmann der überparteilichen Organisation Transitforum Austria-Tirol, gegenüber der Kronen-Zeitung. Schuld daran sei die steuerliche Nichtharmonisierung der 27 Mitgliedstaaten, die daraus resultierende Verlagerung von Produktionen in Billiglohnländer und die Dumpinglöhne für internationale Berufskraftfahrer, so Gurgiser weiter.
Der Transitforums-Obmann sieht die Lösung, um der erheblichen Beschäftigungslücke hinter dem Lenkrad entgegenzuwirken, in einem einheitlichen Mindestlohn für Lkw-Fahrer in Europa von 2500 bis 3000 Euro brutto pro Monat. „Das Lenkrad-Lohnsklaventum muss ein Ende haben“, fordert Gurgiser.
Sein Vorstoß wird auch in Fahrer-Gruppen auf Facebook diskutiert. Die Meinungen gehen dabei stark auseinander. Während einige die Machbarkeit anzweifeln, sehen andere zumindest einen guten Grundgedanken darin.
Anhaltende Diskussion
Diese Idee ist jedoch alles andere als neu. Auf EU-Ebene wird bereits seit zwei Jahren darüber diskutiert, auch ein entsprechender Richtlinienentwurf wurde schon vorgelegt. An der Umsetzung hapert es allerdings. Vor allem aufgrund der unterschiedlichen Voraussetzungen unter den EU-Mitgliedsstaaten hinsichtlich des Lebensstandards, der Steuer- und Sozialsysteme. Ein festgeschriebener Geldbetrag für alle Länder ist demnach keine Option.
Der europäischen Idee folgend müsste dieser Betrag 60 Prozent des jeweiligen nationalen Bruttomedianlohns pro Stunde betragen. Auf Deutschland bezogen müsste der Mindestlohn um rund 25 Prozent erhöht werden und läge damit bei gut 12 Euro – also genau die Erhöhung des Mindestlohns, die die Bundesregierung im Februar dieses Jahres auf den Weg gebracht hat.
Allerdings scheitert das Vorhaben auch an der mangelnden Zuständigkeit der EU-Kommission. Diese darf sich nämlich per Gesetz nicht in Entgeltfragen der Mitgliedsstaaten einmischen.
BGL bezweifelt Umsetzbarkeit
Beim Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) ist man grundsätzlich ebenfalls interessiert an EU-einheitlichen Standards, bewertet die Hürden für einen Mindestlohn aber als zu hoch: „Die Erfahrungen, die wir in den langjährigen harten Verhandlungen zum letztendlich erfolgreichen Abschluss des EU-Mobilitätspakets machten, lassen uns zu dem Schluss kommen, dass ein EU-einheitlicher Mindestlohn für Lkw-Fahrer in absehbarer Zeit nicht realisierbar erscheint“, erklärte ein Sprecher auf DVZ-Anfrage. Überdies seien die hieran geknüpften verkehrspolitischen Hoffnungen – mehr Güterverkehr auf die Schiene durch Verteuerung des Straßengüterverkehrs – ebenfalls wenig realistisch, wie der BGL ausführt. Das lege der derzeit ausbleibende Bahn-Boom trotz massiver Dieselpreisverteuerung nahe.