Logistikwissen zum Durchstarten

Ein E-Lkw wird an der Ladesäule wieder aufgeladen.
Ein E-Lkw wird an der Ladesäule wieder aufgeladen.
Ein E-Lkw braucht mindestens eine Stunde, um die Batterien wieder auf 80 Prozent Kapazität zu bringen.
© Daimler Truck
E-Lkw: Die Logistik muss mehr Tempo machen
Von DVZ Redaktion

Der Straßenverkehr ist für etwa ein Viertel der Treibhausgasemissionen in der EU verantwortlich. Mit Blick auf die Erreichung der Pariser Klimaziele kommt dem Sektor damit eine Schlüsselrolle zu. Denn Szenarien, wie sie seitens des Umweltbundesamtes oder des Thinktanks Agora Energiewende skizziert werden, machen deutlich: Emissionen für den Straßengüterverkehr müssen bis 2030 um rund 26 Prozent reduziert werden, möchte man im Jahr 2045 das Ziel von Null Emissionen erreichen. Der Transformationsdruck auf die Transportindustrie ist entsprechend hoch.

Kein Weg vorbei an alternativen Antrieben

Im Rahmen des Projektes „Pathway to Paris“ untersuchten die Unternehmensberatung PwC, der World Wide Fund for Nature (WWF) und Vertreter der Logistikbranche, wie der Straßengüterverkehr erfolgreich dekarbonisiert werden kann. Da eine weitere Effizienzsteigerung des Verbrennungsmotors rasch an Grenzen stößt, werden als Brückentechniken bis 2030 Hybridisierung, Bio-CNG und Bio-LNG angeführt. Fossiles LNG dagegen kommt nicht infrage, da es höhere Emissionen verursacht als Diesel-Antriebe. Auf mittlere und lange Sicht ermöglichen allein batterieelektrische (BEV) oder mit Wasserstoff betriebene Fahrzeuge eine weitgehende Dekarbonisierung des Güterverkehrs.

Hinter dem Zeitplan

Betrachtet man die Erwartungen der Marktteilnehmer an die alternativen Antriebstechnologien, zeigt sich jedoch ein deutlicher Unterschied: Die Lkw-Hersteller kündigen zum Beispiel an, dass bis 2025 rund 7 Prozent der von ihnen verkauften Lkw-Flotte emissionsfrei unterwegs sein wird. Bis 2030 soll dieser Anteil auf durchschnittlich 43Prozent steigen, wie der Thinktank Transport & Environment ausgerechnet hat. Allerdings bleiben sie damit weiterhin hinter den Anforderungen des Szenarios der Agora Energiewende zurück: Demzufolge müssten im Jahr 2030 der Anteil emissionsfreier Lkw an den Neuzulassungen bei 61 Prozent liegen.

Gemäß der aktuellen Strategy&-Studie „eReadiness Commercial Vehicles” zeigen sich die Flottenbetreiber im Gegensatz zu den OEMs zurückhaltend bei der Inbetriebnahme von emissionsfreien Transportfahrzeugen. Für 2030 nehmen 13 Prozent der Betreiber einen starken Anstieg elektrifizierter Fahrzeuge an, bei wasserstoffbetriebenen Fahrzeugen erwarten lediglich 3 Prozent von ihnen einen starken Zuwachs, offensichtlich gibt es hier spürbare Unsicherheiten hinsichtlich der Technologieentwicklung.

Die Kosten werden deutlich sinken

Sowohl bei Wasserstoff als auch bei Elektrizität sind Fortschritte in der Forschung und Entwicklung erkennbar, die zu einer Kostendegression führen. Derzeit liegen elektrische Antriebe aber aufgrund zunehmender Wirtschaftlichkeit und Reichweiten vorn. Die Prognosen zeigen, dass die Fahrzeugkosten für BEVs im Jahr 2030 aufgrund höherer Antriebskosten weiterhin über dem Diesel-Lkw liegen. Die Total Cost of Ownership (TCO) für schwere batterieelektrische Lkw werden je nach Einsatzgebiet allerdings voraussichtlich um 23 bis 27 Prozent geringer sein als bei Verbrennungsmotoren: Die höhere Abschreibung für BEVs lässt sich durch geringere Energie- und Instandhaltungskosten, Mautgebühren und niedrigere CO2-Steuern deutlich überkompensieren.

Wirtschaftlich attraktiv

Damit wird der batterieelektrische Lkw bei entsprechender Auslastung des Fahrzeugs wirtschaftlich höchst attraktiv. Und auch die weitere Entwicklung der Reichweite elektrischer Lkw ist vielversprechend: So konnte der BEV von Futuricum kürzlich im Testbetrieb über 1.000 Kilometer zurücklegen. Neben der Optimierung der herkömmlichen Batterietechnik werden truckspezifische Batteriekonzepte entwickelt, zum Beispiel im Hinblick auf Batteriechemie und Zelldesign. Damit steigen Reichweite und Zyklenstabilität bei vollen Lade- und Entladezyklen.

Da schwere Lkw über 26 Tonnen mit langen Touren derzeit noch eine Herausforderung darstellen, setzen einige OEMs auch auf Brennstoffzellen. Um die nötige Entwicklung bei Fahrzeugen, Infrastrukturen und Wasserstoffproduktion voranzutreiben, entstehen hier neue Allianzen. So entwickeln zum Beispiel Hyundai Trucks und Hydrospider zusammen mit Pilotkunden aus dem Handel eine Wasserstoff-Mobilitätsplattform in der Schweiz.

Infrastruktur als Nadelöhr

Im Zuge des „Fit for 55“-Programms hat die EU die Rahmenbedingungen für den Ausbau der europäischen E-Ladeinfrastruktur festgesetzt. Vor allem bei der Kapazität der einzelnen Ladepunkte, die derzeit noch zu Engpässen auf Langstrecken führen, gibt es Luft nach oben. Ein Grund dafür sind die derzeit noch hohen Errichtungskosten für Megawatt-Schnelllader – Allein für die beiden geplanten Ladeparks an der A2 wird ein Investitionsvolumen von 27 Millionen Euro veranschlagt. Die Kosten für die Infrastruktur sollen aber bis 2030 um rund 60 Prozent sinken.

Auf der anderen Seite steht der für die Versorgung von Brennstoffzellen-Lkw notwendige Aufbau einer Wasserstoff-Infrastruktur. Die Abdeckung des Lkw-Fernverkehrs gelänge bereits mit etwa 100 bis 140 Wasserstofftankstellen in Deutschland und zwischen 800 und 1000 Versorgungsstellen in Europa. Um die Infrastruktur für einen klimaneutralen Transportbetrieb in Europa zu errichten, sind in Summe dennoch erhebliche Investitionen in der Größenordnung von 30 bis 40 Milliarden Euro erforderlich.

Zwar haben sich die Rahmenbedingungen für die Dekarbonisierung des Landverkehrs in den letzten zwei Jahren positiv entwickelt. Dennoch bleiben die Anforderungen an die Transformation hoch und Logistikunternehmen ebenso wie OEMs und Flottenbetreiber stehen in der Verantwortung, die Dekarbonisierung aktiv zu gestalten. Dafür müssen Strategien angepasst, gangbare Konzepte erstellt, in Leuchtturmprojekten mit Partnern erprobt und dann sprichwörtlich auf die Straße gebracht werden. Dabei gilt es, die Reichweite im Echtbetrieb realistisch einzuschätzen, Betriebskonzepte für die verschiedenen Einsatzbereiche zu entwickeln und umfangreiche Investitionen in die Infrastruktur voranzutreiben. (ben)

Dieser Gastbeitrag wurde verfasst von Dr. Daniel Haag ist Direktor im Bereich Transport und Logistik bei Strategy&, der Strategieberatung von PwC.

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