Logistikwissen zum Durchstarten

Fünf E-Lkw sind zwischen der Heineken-Brauerei in Den Bosch und dem Zentrallager in Duisburg unterwegs
© Heineken
Einride – Die machen das schon
Von Sven Bennühr

Einen klassischen Fuhrpark auf lokal emissionsfreie Technik umstellen – das klingt erst einmal nach einer Aufgabe, die sich vergleichsweise gut umsetzen lässt. Diesel raus aus dem Fuhrpark, E-Lkw rein, Ladesäulen aufstellen, fertig. Doch so einfach lässt sich das nicht bewerkstelligen. Zuerst einmal müssen die Strecken analysiert und mit den Reichweiten der E-Lkw, die für den Einsatzzweck gewählt werden, abgeglichen werden.

Dann geht es um die Ladeinfrastruktur und die Möglichkeiten, die das vorhandene Stromnetz bietet. Zudem müssen die Arbeitszeiten des Fahrpersonals mit den Ladezeitfenstern abgeglichen werden. Und schließlich gilt es, die Prozesse so zu gestalten, dass das Zusammenspiel aller Faktoren so effizient wie möglich und natürlich auch dynamisch organisiert wird.

Für ein Unternehmen, das erst in den Gütertransport mit E-Lkw einsteigt, ist so ein Projekt nur mit großem Aufwand zu bewerkstelligen. Vor allem dann, wenn der Transport nicht das Kerngeschäft ist. An dieser Stelle kommen in der Regel externe Helfer ins Spiel – so wie der Frachttechnik-Anbieter Einride. Das 2017 als Technik-Start-up für autonome Transportlösungen an den Start gegangene schwedische Unternehmen ist seit Ende 2021 Kooperationspartner von Mercedes-Benz-Trucks und sorgt dafür, dass dessen Elektro-Lastwagen reibungslos in die Prozesse der künftigen Nutzer eingebunden werden.     

Heineken dekarbonisiert Hauptstrecke

Jüngstes Beispiel ist das zusammen mit dem Bierhersteller Heineken aufgesetzte Dekarbonisierungsprojekt. Dessen Ziel ist es, die Transporte zwischen der Produktionsanlage der Brauerei in Den Bosch in den Niederlanden und dem Heineken-Zentrallager in Duisburg auf Elektro-Lkw umzustellen, die mit Strom aus erneuerbaren Quellen betrieben werden. Unter dem Strich soll das nach Berechnungen der Partner die CO₂-Emissionen auf der Strecke um jährlich rund 930 Tonnen reduzieren.  

Täglich befördern fünf Mercedes eActros 300 zehn volle Lkw-Ladungen über die knapp 135 Kilometer lange Strecke, die sie dabei viermal zurücklegen. Geladen werden die E-Lkw an beiden Standorten der Route.

„Die Reduktion von CO₂-Emissionen ist eine der größten Herausforderungen in der Logistik. Mit dem Einsatz der Elektro-Lkw zwischen Den Bosch und Duisburg dekarbonisieren wir eine der am stärksten befahrenen Routen in unserem europäischen Streckennetzwerk. Wir gehen damit einen wichtigen Schritt hin zu einer zukunftsfähigen und nachhaltigeren Logistik“, kommentiert Paul Groen, Supply Chain Director bei Heineken Deutschland.  

Ziel: 2040 bei netto null

Der Einsatz von Elektro-Lkw dient dem Ziel der Brauerei, bis zum Jahr 2040 in der Wertschöpfungskette netto null CO₂-Emissionen zu erreichen. Bisher machte die Logistik allein 12 Prozent des gesamten CO₂-Fußabdrucks aus. Laut Arjen van der Woude, dem Director Strategic Sourcing Supply Chain bei Heineken ist die Dekarbonisierung der Logistik ein wichtiger Baustein, um die Netto-Null-Verpflichtungen zu erfüllen. Er sieht in den batterieelektrisch betriebenen Fahrzeugen eine der am besten entwickelten Technologien, um die CO₂-Emissionen im Straßengüterverkehr zu senken. 

„Einride verfügt über das Wissen, das Netzwerk und die Erfahrung, um langfristige elektrifizierte End-to-End-Frachtkapazität-Services zu wettbewerbsfähigen Konditionen anzubieten“, erklärt van der Woude die Wahl des Technik-Partners.

In der ersten Phase des Projekts richtet Einride eine Schnellladeinfrastruktur ein und installiert das KI-gesteuerte Betriebssystem Saga. Letzteres wird auf der Grundlage datengestützter Erkenntnisse die Routen optimieren, den Energieverbrauch minimieren und die Emissionsreduzierung überwachen.

Mars macht E-Mobil

Ungleich größer ist das Projekt, das Einride zusammen mit dem Nahrungsmittelkonzern Mars auf den Weg gebracht hat. Bis zum Jahr 2030 wollen die beiden Partner in Europa eine Flotte von 300 E-Lkw in Dienst stellen und so den CO₂-Ausstoß der Mars-Logistik um jährlich 20.000 Tonnen reduzieren. Das sind immerhin 10 Prozent der Treibhausgas-Emissionen, die von den Straßengütertransporten des Konzerns in Europa verursacht werden.

Erst vor wenigen Wochen haben die ersten beiden E-Lkw den Betrieb zwischen dem Mars-Petcare-Werk in Verden und dem Verteilzentrum in Minden aufgenommen. Zusammen werden die Fahrzeuge rund 310.000 Kilometer pro Jahr rein elektrisch zurücklegen und so jährlich rund 210 Tonnen CO₂ einsparen. Wie beim Heineken-Projekt hat Einride auch hier eine leistungsstarke Ladeinfrastruktur aufgebaut und das smarte Betriebssystem Saga installiert.

Rewe: E-Distribution seit 10 Monaten

Bereits im Mai des letzten Jahres hat auch die Rewe-Gruppe ein Pilotprojekt mit Einride gestartet. Mittlerweile beliefern sieben von dem schwedischen Unternehmen betriebene Solo-Lkw vom Typ eActros 300 von den Logistikzentren in Oranienburg und Berlin-Mariendorf über 300 Supermärkte in Berlin und Brandenburg. Zudem hat Rewe auch vier weitere E-Lkw in den eigenen Fuhrpark integriert.

Die Integration von Einrides Frachtmobilitätsservice fußt auf einem Unternehmensprojekt von Rewe zu alternativen Antrieben im Lieferverkehr. Der Lebensmittelhändler führt im laufenden Jahr diverse Tests zu alternativen Antriebsformen durch. Dabei werden unter anderem prozessuale Auswirkungen und Verbrauchskennziffern analysiert. Die Ergebnisse bilden die Basis für die künftigen Entscheidungen bei den Flottenbeschaffungen. Bereits 2021 beteiligte sich Rewe an einer Machbarkeitsstudie vom Innovationsinstitut Fraunhofer ISI zum Einsatz von E-Lkw in der Großstadtlogistik. Diese hat laut Sven Wallisch, Leiter Transportlogistik Region Ost, gezeigt, dass die aktuell verfügbaren Reichweiten von Batterie-Lkw heute schon oft ausreichen, um die in der Studie analysierten städtischen Lkw-Touren und fast die Hälfte der betrachteten regionalen Touren mit E-Lkw zu schaffen.

(Mitarbeit: Claudius Semmann)

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