Herr Waldenberger, Hat der Brennstoffzellen-Antrieb im Hyundai XCient Fuel Cell Electric Truck Sie überzeugen können?
Wir setzen das Fahrzeug seit Januar 2021 in der Schweiz ein. Wir haben es zunächst mit Vorsicht übernommen, weil wir mit technischen Kinderkrankheiten gerechnet haben. Wir wussten vorher nicht, ob der Lkw unsere Erwartungen erfüllen kann. Nach einem Jahr im Einsatz hat das Fahrzeug unsere Erwartungen mehr als erfüllt. Es gab keinerlei technische Probleme. Im gesamten Jahr war der Lkw nur einen Tag nicht im Einsatz – wegen einer technischen Vorsorgeüberprüfung durch Hyundai. Mittlerweile ist der Wasserstoff-Lkw ein selbstverständlicher Teil unserer Fahrzeugflotte.
Wie kommen die Fahrer mit der Technik zurecht? Wie intensiv mussten diese auf den Brennstoffzellen-Truck geschult werden?
Die Fahrer haben jeweils eine zweistündige Einschulung bekommen, um das Fahrzeug und seine Besonderheiten kennenzulernen. Der H2-Lkw hat einen ganz anderen Auftritt als ein Diesel-Lkw. Man steigt ein und von Anfang an steht die volle Leistung zur Verfügung. Ein bisschen bedächtiger und vorsichtiger muss man schon fahren. Ansonsten sind keine aufwendigen Schulungen notwendig. Die Fahrer werden eingewiesen, machen eine Probefahrt mit dem Lkw, damit sie ein Gefühl für die Technik bekommen, das war es auch schon. Auch beim Tanken gibt es keine große Herausforderung.
Und wie ist der Eindruck der Fahrer vom Fahrzeug selbst?
Unser Fahrer, der derzeit mit dem Hyundai unterwegs ist, ist von dem Fahrzeug sehr angetan und beeindruckt, wie leise der Lkw ist. Darüber hinaus empfindet er das Fahren an sich als ausgesprochen komfortabel, sowohl was den Anzug beim Losfahren als auch das Bremsen anbelangt. Zudem unterscheidet sich die Innenausstattung nicht so sehr von der eines konventionellen Lkw.
Welche Faktoren müssen unbedingt beachtet werden, wenn man sich für den Betrieb von Brennstoffzellen-Trucks entscheidet.
Entscheidend ist, wie man das Fahrzeug verwenden möchte. Soll es im Verteilerverkehr laufen oder auch auf der Langstrecke eingesetzt werden. Bei Langstrecken ist zu prüfen, wie es mit der Tankstellen-Infrastruktur ausschaut. Ansonsten lassen sich mit dem Brennstoffzellen-Lkw auch größere Strecken fahren. Wir setzen das Fahrzeug von unserem Standort in Altenrhein bei St. Gallen aus ein. Die nächste Wasserstoff-Tankstelle liegt nur knapp 15 Kilometer entfernt. Die Transporte Richtung Westen funktionieren einwandfrei. Da gibt es mehr als genug Tankstellen für gasförmigen Wasserstoff. In Richtung Chur und Tessin ist es etwas schwieriger, weil es dort noch keine Tankstellen gibt. Die kommen aber im Laufe dieses Jahres. Dann kann die gesamte Schweiz problemlos mit Wasserstoff-Lkw versorgt werden.
Sind weitere Hyundais bestellt? Oder kommen auch andere Anbieter zum Zug? Da sind ja in absehbarer Zeit noch einige Lkw-Hersteller am Start…
Derzeit überlegen wir, ob wir in der Schweiz noch einen, wenn nicht sogar zwei weitere Brennstoffzellen-Lkw anschaffen. Trotz der Einschränkung durch den Festaufbau, möchten wir ein weiteres Fahrzeug im Linienverkehr zwischen Basel und Altenrhein einsetzen. Zudem sprechen wir mit Kunden über deren Anforderungen und wie der Transport ausschließlich mit wasserstoffbetriebenen Lkw abgewickelt werden könnte.
Gebrüder Weiss testet auch E-Lkw. Welchem System geben Sie den Vorzug?
Für zwei Großkunden setzen wir in Wien zwei E-Lkw aus der ersten E-Generation von MAN ein. Eines der Fahrzeuge fährt sogar in die Slowakei. Die Distanz ist kurz genug, dass dies auch im Winter funktioniert. Bei Kälte kann es aber sein, dass der Lkw nur 120 bis 130 Kilometern mit einer Batterieladung schafft. Im Sommer hingegen ist das überhaupt kein Problem, denn die Reichweite liegt dann bei rund 190 Kilometern.
Die kommenden E-Lkw-Generationen sollen deutlich weiterkommen – so gibt Daimler Truck für den eActros 400 Kilometer an und die Long-Haul-Variante, die ja bald kommen soll, soll sogar 500 Kilometer weit fahren können. Vor diesem Hintergrund: Welchem System würden Sie den Vorzug geben, dem E-Lkw oder der Brennstoffzelle?
Das ist die große Frage, die wir uns derzeit auch stellen. Für uns ist ja nicht nur die Reichweite ausschlaggebend. Auch die für das Betanken oder Wiederaufladen benötigte Zeit ist ein wichtiges Kriterium. Wir verfolgen dabei die Strategie, dass Fahrzeuge, die tagsüber für Vor- oder Abholungen eingesetzt werden, nachts auf Linienverkehre gehen. Natürlich geht es darum, wie schnell die Fahrzeuge nach dem Betanken wieder auf der Straße sein können.
Beim Wasserstoff-Lkw dauert das Betanken zwischen 10 und 15 Minuten, also kein großer Unterschied zum Diesel-Lkw. Beim batterieelektrisch angetriebenen Lkw sind es dagegen noch einige Stunden. Deshalb sehen wir die E-Lkw derzeit noch etwas kritisch. Keine Frage, es gibt auch für die E-Lkw Anwendungsmöglichkeiten. Für einen Stückgut-Spediteur, der in Systemverkehren unterwegs ist, ist die lange Ladezeit aber ein K.-o.-Kriterium.
In einigen Jahren sollen Brennstoffzellen-Lkw auf den Markt kommen, die mit tiefkaltem, verflüssigtem Wasserstoff betankt werden und mit einer Tankfüllung gut 1000 Kilometer weit kommen sollen. Wäre das langfristig eine sinnvolle Option für Gebrüder Weiss, mit solchen Fahrzeugen auf die Langstrecke zu gehen?
Momentan tanken wir gasförmigen Wasserstoff mit einem Druck von 350 bar und kommen damit gut zurecht. Wenn wir als Transportunternehmen Lkw mit alternativen Antrieben einsetzen, ist die Verfügbarkeit einer Tank- oder Ladeinfrastruktur ein wesentliches Kriterium. Selbst eine geringere Reichweite ist nicht das Problem, solange es die Tankmöglichkeiten gibt.
Auf einer Langstrecke von 1.000 Kilometern, zum Beispiel zwischen Wien und Hamburg, macht es keinen großen Unterscheid, ob ein Diesel-Lkw einmal pro Strecke tankt – falls überhaupt notwendig – oder ein Wasserstoff-Lkw zwei Mal betankt werden muss. Der Zeitverlust liegt dann bei 25 bis 30 Minuten. Bei einem E-Lkw, der an einer Schnellladestation bis zu zwei Stunden laden muss, sieht das ganz anders aus.
Doch zurück zum Wasserstoff-Lkw. Mehr Reichweite wäre natürlich sehr willkommen. Aber wenn alle 300 bis 350 Kilometer eine Tankstelle mit einem Befüllungsdruck von 350 bar stehen würde, dann ließen sich die Transporte auch so schon problemlos durchführen.
Die Frage ist natürlich auch, wie sich die Infrastruktur entwickelt. Es entstehen derzeit erste Zellen für regionale Einsätze. Das war auch einer der Gründe bei Daimler Truck, eine Reichweite von 1000 Kilometer anzubieten, damit sich die Lkw auch in diesem zuerst löchrigen Tankstellennetz bewegen können.
Wir sprechen mit Daimler über diese Themen und testen gerne, was uns von den Lkw-Herstellern angeboten wird – unabhängig von der Technik. Reichweite und Betankungszeit müssen aber passen und natürlich muss auch das Kosten-Nutzen-Verhältnis stimmen.
Das ist der große Knackpunkt. Zum Beispiel muss ja der Kraftstoff für die Brennstoffzellen-Lkw mit vergleichsweise großem Stromaufwand produziert werden und es gibt Szenarien, die besagen, dass sich der Einsatz von mit Wasserstoff betriebenen Lkw erst dann lohnt, wenn der Kilogrammpreis bei zwei bis maximal drei Euro liegt. Bis dahin ist es aber noch ein weiter Weg. Wie stellen sich die Hyundai-Lkw hinsichtlich der Total Cost of Ownership dar?
Hyundai verkauft die Fahrzeuge derzeit noch nicht. Der Versuch in der Schweiz ist ein Pay-per-Use-Modell, bei dem wir nach gefahrenen Kilometern abrechnen. Der Vorteil ist, dass die Wasserstoff-Lkw von der Leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe (LSVA) ausgenommen sind. Die würde sonst mit 38 Cent pro Kilometer zu Buche schlagen. Trotzdem liegen die Betriebskosten für den Hyundai-Lkw noch 10 bis 15 Prozent über denen für einen Diesel-Lkw. Sobald sich diese Relation verschiebt, also der Dieselpreis steigt und der Wasserstoffpreis sinkt, kommt man schnell in einen Bereich, in dem sich das Fahrzeug wirtschaftlich betreiben lässt.
Für den Einsatz in Deutschland muss man sich fragen, wie es langfristig mit der staatlichen Anschub-Finanzierung aussieht, die derzeit noch 80 Prozent der Mehrkosten eines Brennstoffzellen- oder Elektro-Lkw im Vergleich zu einem Diesel-Fahrzeug abdeckt. Der batterieelektrische Lkw hat da noch eindeutig die Nase vorn, aber die Batterie wird im Schwerverkehr nicht das Allheilmittel sein. Da kommen auch andere Technologien – und Wasserstoff ist eine davon.
Der Schweizer Anbieter Futuricum hat die 1000-Kilometer-Marke mit einem batterieelektrischen Lkw geknackt. Inwieweit ist das ein Game-Changer für die Entwicklung alternativer Antriebe?
Das hängt vom Gesamtsystem ab. Zum Beispiel kommt es darauf an, wie schwer das Fahrzeug selbst ist. Wenn die Batterie etwa sieben Tonnen wiegt, haben wir Einbußen bei der Nutzlast. Fahrzeuggewicht, Batteriegewicht und Nutzlast müssen sich in einem ausgewogenen Verhältnis bewegen.
Es wird unterschiedliche Technologien geben. Die Batterie hat ihre absolute Berechtigung, besonders im Nahverkehr, also unter 200 Kilometer Tageslaufleistung. Auf den mittleren und langen Strecken werden mal batterieelektrischen Lkw, mal Brennstoffzellen-Fahrzeuge unterwegs sein, eventuell auch Biogas-Lkw. Diese Antriebsalternative ist auch interessant. Das langfristige Ziel muss sein, dass wir auf lange Sicht emissionsfrei unterwegs sein können.
Was für ein Ziel hat sich Gebrüder Weiss gesetzt, um CO2-frei unterwegs zu sein.
Wir werden unsere Anstrengungen im Bereich alternative Antriebe weiter intensivieren und unseren Weg Richtung Klimaneutralität bis 2030 fortsetzen. Allein im vergangenen Jahr haben wir hierfür an acht Standorten Photovoltaikanlagen auf Logistikterminals in Österreich und Deutschland installiert. Weitere Standorte sollen dieses Jahr folgen. Auch unsere Kunden wollen wir auf dem Weg zu einer ausgeglichenen Ökobilanz unterstützen und haben dazu den Service „zero-emissions“ eingeführt. Dieser bietet die Möglichkeit, den CO2-Ausstoss jeder logistischen Leistung durch einen Mehrbetrag zu kompensieren. Dieser fließt dann in zertifizierte Klimaschutzprojekte.
Zur Person Peter Waldenberger
Der 54-jährige promovierte Sozial- und Wirtschaftswissenschaftler ist seit dem Jahr 1997 in unterschiedlichen Funktionen bei Gebrüder Weiss tätig. Derzeit leitet er das Umwelt- und Qualitätsmanagement des österreichischen Transport- und Logistikdienstleisters auf Konzernebene.