Natürlich entspricht die Bezeichnung Chief People Officer auch dem Zeitgeist. Aber nicht nur: „Im Unterschied zu einem Chief Human Ressources Officer setzt man als CPO die Menschen viel stärker in den Mittelpunkt des Unternehmens und zeigt eine völlig andere Denkweise“, findet Anja Maassen van den Brink, die seit Mitte Juni dieses Jahres in genau dieser Position für die Digitalspedition Sennder arbeitet.
Wie sie diese definiert, beschreibt Maassen van den Brink so: „Es geht um die Talente, die wir akquirieren, um die Führungskräfte, die wir fördern, um die Vergütung, die wir in Form von Gehältern, Anreizsystemen, sowie Bonus- und Aktienprogrammen bieten, außerdem um Sozialleistungen, aber auch um Lernen und Entwicklung, organisatorische Veränderungen, Kommunikation, Engagement, Gleichberechtigung und Inklusion.“
Ein neues Verständnis für das Personalmanagement
Dieses neue Verständnis der Personalvorstandsposition ist in US-amerikanischen Unternehmen bereits weit verbreitet ist – und auch in Europa setzt sich dieser Ansatz immer stärker durch. „CPO zu sein bedeutet, sich völlig auf den Menschen zu konzentrieren. Es geht nicht nur darum, wie man sie einstellt, sondern auch darum, dass sich die Menschen entfalten können, um ihr Bestes zu geben“, so Massen van den Brink. „Und das ist ein komplett anderer Ansatz als der, den die klassische Personalarbeit verfolgt. Mit der Aufnahme dieser Funktion in das Führungsteam und die Einführung des Titels setzen Unternehmen ein starkes Signal.“ Das gilt sowohl nach Innen als auch nach Außen.
Sennder gilt am Markt als echtes Scale-up, das heißt das Unternehmen ist rasant gewachsen – auch in Hinsicht auf den Personalbestand. Dass das Start-up mit seinen derzeit 1.000 Mitarbeitern bei der Besetzung der CPO-Position auf eine gestandene Führungskraft mit Stationen in Unternehmen wie Vodafone Ziggo, Maxeda und Sara Lee und zuletzt Lilium setzt, erklärt Maassen van den Brink so: „Wenn Start-ups wachsen, gibt es viele neue Herausforderungen, bei denen die meist sehr junge Belegschaft erst lernen muss, wie man mit ihnen umgeht. Allerdings brauchen die jungen Unternehmen auch die Unterstützung erfahrener Mitarbeiter – und es hat etwas gedauert, bis sich der Gedanke durchgesetzt hat, dass man auch von traditionellen Unternehmen und der Berufserfahrung ihrer Mitarbeiter etwas lernen kann.“
Nicht jeder passt zur Scale-up-Kultur
Für Menschen, die in diese Welt wechseln wollen, sei es allerdings wichtig, sich die Besonderheiten eines Start-ups vor Augen zu führen: „Man muss sich zum Beispiel fragen, ob man fähig ist, mit Unklarheiten umzugehen, ob man offen für visionäre Gedanken ist oder ob man mit Change Management umgehen kann. Zudem sollte man empathisch genug sein, um zu verstehen, was einen Gründer oder das Gründungsteam antreibt“, sagt Maassen van den Brink. Entscheidend sei aber auf die Grundeinstellung: „Will jemand etwas bewirken und will er dafür die Extrameile laufen? Ist jemand belastbar und bereit, aus Fehlern zu lernen? Möchte die Person im Team erfolgreich sein? Kann man ein gewisses Tempo durchhalten?“
Die größte Herausforderung, bei Sennder zu arbeiten, ist nach Meinung der CPO, dass die Transportbranche vor großen Umwälzungen steht. „Die Logistik hat sich bisher nicht unbedingt durch ein besonders Maß an Digitalisierung hervorgetan und auch das Tempo bei der Umstellung ist nicht das schnellste. Das liegt aber nicht an den Menschen, sondern vor allem daran, dass es eine wirklich anspruchsvolle Aufgabe ist.“ Für sie persönlich gehe es derzeit in erster Linie darum, die Branche und das Geschäftsfeld einer Spedition zu verstehen.
Mehr Wissen aufbauen
Überdies beschäftigt sich Maassen van den Brink mit strategischen Fragen. Beispielsweise damit, wie man in dem Wettbewerbsumfeld nachhaltig wachsen kann. In Bezug auf die Mitarbeiter befasst sich die Personalexpertin gegenwärtig vor allem damit, wie diese mehr Wissen aufbauen und zugleich ihre Erfahrung einbringen können. „Es geht darum, die Talente zu verstehen. Worauf gründet die Begeisterung der Menschen, wo die Stärken der einzelnen Personen liegen und wie können diese künftig bei Sennder am besten zur Geltung kommen.“
Angesichts der Vielfalt der Themen hat Maassen van den Brink zunächst damit angefangen, die Arbeitgebermarke zu definieren. „Dazu gehört auch, was Menschen dazu bringt, bei uns anzufangen und zu bleiben, und welche Art von Menschen am besten zu uns passen.“ Das können Mitarbeiter sein, die beispielsweise von Amazon, Gefco, Microsoft oder Deliveroo zu Sennder wechseln, aber auch solche aus anderen Branchen. „Am Wichtigsten ist es, es den neuen Mitarbeitern zu ermöglichen, Teams zu bilden, bei denen jeder seine individuellen Fahigkeiten optimal einbringen kann. Es ist naiv zu glauben, dass eine Person alle Aufgaben gleich gut bewältigen kann“, unterstreicht Maassen van den Brink.
Der Vorteil der Vielfalt
Nach Ansicht der Sennder-CPO kommt es sehr darauf an, den Diversitätsgedanken voranzutreiben: „In unseren operativen Teams finden sich Mitarbeiter mit 20 oder 30 Jahren Berufserfahrung genauso wie Universitätsabsolventen.“ Auch die Hintergründe, sei es in Bezug auf Sprache, Kultur und Ausbildung, seien divers: „Viele Mitarbeiter, mich eingeschlossen, sprechen kein Deutsch, und auch der Bildungshintergrund ist sehr unterschiedlich. Worauf es ankommt, ist vielmehr, wie klug und intelligent Menschen sind“, unterstreicht Maasen van den Brink. Die so gelebte Diversität soll verhindern, dass sich Vorurteile bilden.
Auch für die Digitalspedition ist es allerdings nicht immer leicht, Mitarbeiter zu finden. Allerdings kommt es auf den Blickwinkel an: „Man hat die Wahl, wie man den Kampf um Tech-Talente betrachtet“, meint die CPO. „Oft wird das als Problem gesehen, aber wenn sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer tatsächlich auf Augenhöhe begegnen, ändert das Vieles.“
Empfehlungen zählen
Beim Recruitment setzt Sennder vor allem auf Referenzen: „Unsere Mitarbeiter sind unsere besten Botschafter“, unterstreicht Maassen van den Brink. Hinzukommen Portale wie Linkedin und Xing und eigene Recruiting-Veranstaltungen. Darüber hinaus ist das Unternehmen regelmäßig in Schulen präsent. „Oft haben wir aber nur vier Wochen Zeit für die Suche nach geeigneten Kollegen und Kolleginnen“, skizziert die CPO eine besondere Herausforderung. Ein Großteil des Einstellungsverfahrens erfolgt digital, die letzte Runde findet dann aber vor Ort im Büro statt.
Wer sich auf das Unternehmen einlässt, wird feststellen, dass Sennder nicht mit vollständig dezentralisierten Strukturen arbeitet. Üblicherweise verbringen die Mitarbeitenden in Deutschland mindestens drei Tage in der Woche im Büro. Eine Ausnahme gilt lediglich für einige Tech-Experten, die komplett mobil arbeiten. „Die meisten Mitarbeiter wünschen sich zwar Flexibilität, aber auch den Kontakt mit Kollegen“, begründet Maassen van den Brink diesen Ansatz. Letztlich stehen also nicht nur für die CPO die Menschen im Mittelpunkt.
Zur Person:
Seit Juni 2022 ist Anja Maassen van den Brink Chief People Officer bei der Berliner Digitalspedition Sennder. Sie kann dabei auf ihre über zwanzigjährige Erfahrung in der Personal- und Organisationsentwicklung zurückgreifen. Bevor sie zu Sennder wechselte, war Maasen van den Brink in gleicher Position für das Luftfahrtunternehmen Lilium, das Elektro-Flugzeuge entwickelt, tätig. Davor hat die Change-Management-Expertin unter anderem die Integration von Vodafone und Ziggo in den Niederlanden vorangetrieben.
Dieser Artikel wurde von Claudia Behrend verfasst.