Selten waren die Rahmenbedingungen für die Transport- und Logistikunternehmen so herausfordernd wie heute. Die Geschäftsmodelle müssen häufiger auf den Prüfstein gelegt werden und gleichzeitig steigt eine ganz neue Generation in die Führungsetagen auf. Deren Aufgabe besteht auch darin, die Unternehmen fit für die digitale Zukunft zu machen und die notwendige Transformation zu gestalten. Dabei sollten sieben Prinzipien beachtet werden.
1. Klares Ziel
Wer führen will, muss Orientierung geben. Was sich einfach anhört, ist heutzutage Welt äußerst anspruchsvoll. Logistikunternehmen bewegen sich in einem komplexen Geflecht von Rahmenbedingungen. Sie müssen Markttrends und kaufmännische Ziele beachten und mit sozialen, werteorientierten Vorhaben kombinieren.
Es mangelt den Logistikern zwar nicht an Aufgaben, die erfüllt werden müssen, jedoch wurden die Mitarbeiter dabei bisher selten direkt einbezogen. Zudem dürften Themen wie Sinnhaftigkeit und Nachhaltigkeit in vielen Speditionen eher als Marketingfeigenblätter empfunden werden. Die nächsten Generationen möchten einbezogen werden und an der Ausrichtung des Unternehmens mit Meinungen und Ideen mitwirken. Top-down-Strategien hingegen reduzieren die Intelligenz der Organisation auf die Gedanken von Einzelpersonen.
2. Multiplikation per Kommunikation
Je größer eine Organisation ist, desto wichtiger ist die Kommunikation. Entscheidend ist hier, dass das, was die Geschäftsführung tatsächlich sagen will, so auch in der Belegschaft ankommt. Da die jüngeren Generationen mit digitalen feedback-orientierten Medien aufgewachsen sind, muss auch die Kommunikation in der Führung schneller und direkter sein.
Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, die unterschiedlichen Kanäle und Formen zu nutzen. Zum Beispiel könnten sich die führenden Köpfe eines Logistikunternehmens per Video über das Intranet an die Mitarbeitenden wenden. Oder die Cafeteria wird bewusst zu einem Ort für Diskussionen in und mit der Belegschaft. Wer wissen will, wie seine Botschaften ankommen, sollte möglichst viele Einzelgespräche führen.
Die Wiederholung der zentralen Botschaften ist dabei von hoher Bedeutung. Ein interner, leicht verständlicher Podcast zur Unternehmensstrategie mit Erfolgsmeldungen aus dem Alltag erreicht beispielsweise auch die Lkw-Fahrer und das Personal fernab der Unternehmenszentrale. Das ist kostengünstig produzierbar, setzt aber bei den Protagonisten die Fähigkeit zur intelligenten Kommunikation voraus. Diese muss eines der zentralen Auswahlkriterien bei der Besetzung von Top-Positionen im Management sein.
Haben alle Mitarbeitende die Zielrichtung verstanden, gilt es, die Motivation zur Umsetzung ins Visier zu nehmen. Hier gibt es den größten Veränderungsbedarf – sowohl im logistischen Mittelstand als auch in großen Unternehmensstrukturen. Diese Motivation ist immer dann am größten, wenn Mitarbeitende schon von Beginn des Strategieprozesses an involviert sind. Zudem ist es wichtig, dass die Argumentationskette vor dem Hintergrund des eigenen Aufgabenbereichs als schlüssig wahrgenommen wird und dass der Beitrag des Einzelnen sichtbar wird. Aus diesen Anforderungen ergeben sich die nächsten Schritte.
3. Enablement und Empowerment
Moderne Führung bedeutet nicht, bereits im Vorfeld ausgearbeitete Lösungen zu delegieren. Vielmehr geht es darum, Problemstellungen auf die jungen Führungskräfte im Mittelbau zu übertragen, um die Entwicklung eigenständiger Lösungen zu fördern. Die junge Managergeneration in der Logistik sucht Gestaltungsspielraum und Freiheitsgrade. Nur dann gibt sie auch das eigene Wissen preis und bringt sich gänzlich ein.
Um hier Fortschritte zu erzielen, müssen neue und auch unkonventionelle Wege gegangen werden. Zum Beispiel könnten Auszubildende aus ihrer Perspektive heraus eine Roadmap für das Unternehmen entwickeln. Möglich wäre auch, eine Art Lab für die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle aufzubauen. Was dabei aber immer gelten sollte: Die Führungskräfte sollten sich nicht zu häufig einmischen, sondern den Ideen Raum geben. Es ist überraschend, was dadurch zutage tritt.
4. Einflussfaktor Technologie
Wer mit hohem Technologiebezug aufwächst, hat eine Erwartung an den beruflichen Alltag. Logistikmanager der neuen Generation müssen technologieoffen sein. Zudem ist es wichtig, dass sie den notwendigen Freiraum bieten, damit ihre Mitarbeitenden neue Technologien identifizieren und spielerisch erproben können. Gemeint ist hier zum Beispiel der Einsatz von künstlicher Intelligenz, die smarte Auswertung bereits vorliegender Daten und die Optimierung der internen Prozesse über automatisierte Lösungen. Aber auch das Ausprobieren ist wichtig: Nur wer sich zum Beispiel mit Simulationssoftware beschäftigt, kann ermitteln, ob diese für die Entwicklung von Lösungen für komplexe Logistikaufgaben geeignet ist.
5. Konsequenz im Alltag
Eine werteorientierte Unternehmenspolitik bedeutet nicht nur ein gutes und nachhaltiges Miteinander, sondern auch die Verteidigung der Rahmenbedingungen, zu denen man sich gemeinsam verpflichtet hat. Top-Managerinnen und -Manager sollten in der Führung die ihre Erwartungen klar kommunizieren und auch konsequent durchsetzen. Es geht darum, Verbindlichkeit zu schaffen und Verantwortung einzufordern.
Auch die neue Generation der Manager und Managerinnen hält an diesem Führungsprinzip fest, schätzt Feedback und möchte die eigenen Fähigkeiten verbessern und neue Karriereoptionen entwickeln. Während in einigen Logistikkonzernen bereits Mentorenprogramme etabliert sind, nutzen viele Mittelständler diese Möglichkeiten nicht. Im Übrigen schätzen es auch viele erfahrene Führungskräfte, Sparringspartner für die nächste Generation zu sein.
6. Fehlerkultur leben
Insbesondere bei vermeintlichen Routinetätigkeiten wie beispielsweise in der Verladung oder Kommissionierung sind Fehler zu vermeiden. Jedoch bietet jeder Fehler auch Ansatzpunkte für Innovationen – im Prozess oder auch in Bezug auf neue Dienstleistungen für die Kunden. Es geht darum, als Organisation konsequent aus den Fehlern zu lernen, die Ursachen methodisch und strukturell abzustellen sowie die Verbesserungen und Learnings zu loben.
Insbesondere in tradierten Strukturen haben Mitarbeitende immer noch Sorge vor der Reaktion der Chefs, anstatt in einem angstfreien Raum über die Ursachen sowie Hintergründe zu sprechen und gute Lösungen für die Zukunft zu erarbeiten. Die nachwachsenden Führungsgenerationen brechen zusehends mit diesem Ansatz und verstehen sich selbst als Netzwerkführungskräfte. In dieser Funktion teilen sie das Wissen und fördern die Zusammenarbeit. So könnte zum Beispiel der Wissenstransfer zwischen Vertrieb und den Operations kostspielige Fehler in Angeboten eliminieren.
7. People Centricity
Durch den engen Arbeitsmarkt und das gestiegene Selbstbewusstsein der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ist ein Umdenken in der täglichen Führung unerlässlich. Es gilt, die Mitarbeitenden der Organisation bestmöglich auszubilden, Freiheiten in der Arbeitsorganisation zu gewähren und durch individuelle Förderungen Menschen in ihrer persönlichen Entwicklung zu unterstützen.
Führungskräfte kleinzuhalten, damit sie später nicht abwandern, steht diametral zu den Grundsätzen der nächsten Leadership-Generation. Es gilt stattdessen, Gestaltungsspielräume zu schaffen, das Belohnungssystem anzupassen oder Teile der eigenen Verantwortungsbereiche abzugeben.
Insbesondere in Sachen Führung müssen sich die Organisationen in den Logistikunternehmen an die neuen Rahmenbedingungen anpassen. Sie müssen sich jedoch nicht von Grund auf neu erfinden: Kulturveränderungen sind nur langfristig zu erreichen und zehren an den Kräften. Viele Geschäftsverantwortliche in der Logistik überschätzen, was kurzfristig erreicht werden kann und unterschätzen die Ergebnisse, die langfristig möglich sind. Doch wie auch immer man das sieht, die Zeit für den Wandel ist jetzt.
Zum Autor: Tim Oldiges ist Geschäftsführer der Personalberatung Headgate