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Ocean Insights-CEO: „Haben uns hohe zwei- bis dreistellige Wachstumsraten vorgenommen“
Von Frederic Witt

Vor wenigen Wochen wurde die Übernahme von Ocean Insights durch Project44 öffentlich verkündet. Im Interview erklärt Ocean Insights-CEO Felix Richter, wie beide Seiten von der Akquisition profitieren wollen und was die gemeinsamen Ziele sind.

DVZ: Herr Richter, Ocean Insights wurde 2012 gegründet. Sie sind seit 2015 mit an Bord. Erklären Sie bitte einmal, wie es zur Gründung des Start-ups kam und wieso Sie sich diesem angeschlossen haben.

Felix Richter: Ocean Insights wurde 2012 in Hongkong von dem Deutschen Konstantin Borek gegründet, der auch vorher in der Logistikbranche tätig war. Er hat damals erkannt, wie zäh und altmodisch die Prozesse in der Seefracht waren. Es gab wenig Sichtbarkeit und viele Blackbox-Prozesse. Es wurde viel mit Excel-Tabellen gearbeitet. Die Kommunikation lief per Mail oder Telefon. Daraufhin hat Herr Borek die Idee zu Ocean Insights entwickelt. Zu dieser Zeit habe ich in Rostock ein Unternehmen geführt, welches sich mit der Technologie des AIS-Schiffstrackings befasst. Das umfasst die weltweite Verfolgung von Schiffen, die Abbildung des maritimen Verkehrs und des Geschehens von einzelnen Häfen durch AIS-Signale. In diesem Bereich haben wir damals Pionierarbeit geleistet. Darüber kamen Herr Borek und ich in Kontakt und ich habe erkannt, wie viel Potenzial in seiner Idee steckt. Ich habe gesehen, er benötigt Unterstützung im Bereich Produkt und IT. Daraufhin haben wir uns entschlossen, unsere Kräfte zu bündeln. Wir haben das Unternehmen dann nach Rostock geholt, da wir hier sehr gute Rahmenbedingungen, etwa durch die Nähe zur Universität, haben.

Wie ging es dann seit 2015 mit Ocean Insights weiter?

Zum Start hatten wir nur fünf Mitarbeiter und haben mit diesem kleinen Team die Pilot-Projekte von Ocean Insights nochmal in einer 2.0-Version auf den Markt gebracht. Damit sind wir auf einen sehr hungrigen Markt getroffen und sind in kurzer Zeit sehr stark gewachsen. Inzwischen haben wir 150 Kunden in 30 Ländern weltweit. Das sind renommierte Unternehmen wie Kühne + Nagel dabei. Aus sechs Branchen gehört die weltweite Nummer eins zu unseren Kunden. Besonders viele Kunden kommen aus der deutschen Chemie-Branche, wie etwa Evonik oder Lanxess.

Wurde die Wachstumsgeschichte von Ocean Insights durch die Coronakrise unterbrochen, oder konnten Sie sogar von der besonderen Situation profitieren?

Die Pandemie hat die gesamte Branche durchgeschüttelt. Das hat zu einem sehr großen Informationsbedarf in der Industrie geführt. Das war für uns natürlich gut, da wir hochinteressante Datensätze zur Verfügung stellen können, mit denen wir Antworten auf viele Fragen geben können. Wir schauen zum einen im Bereich Market Intelligence auf den Gesamtmarkt, analysieren beispielsweise wo es Unter- oder Überkapazitäten gibt und blicken auf die Preisentwicklung. Auf der anderen Seite schauen wir aber auch auf den spezifischen Kunden und können diesem erklären, was mit seiner Seefracht passiert und wo es bei ihm Veränderungen gibt.

Hinzu kommt der durch die Krise verursachte Digitalisierungsschub.

Auch das haben wir stark gespürt. Die großen Industrieunternehmen und auch Spediteure mussten aus dem Home Office ganz anders mit ihrem Informationsbedarf umgehen. Da haben viele gemerkt, dass sie verstärkt in Digitalisierung investieren müssen. Da können wir als Dienstleister für viele Unternehmen die entsprechenden Schlüsselkomponenten liefern. Wir liefern Antworten auf Fragen wie: „Wo sind meine Container?“ Oder „Womit kann ich morgen einen Container verschiffen?“ Da schließt sich wieder der Kreis zur Gründung von Ocean Insights, da auch im Jahr 2020 in vielen Unternehmen noch nicht die nötigen digitalen Prozesse etabliert waren. Das wurde durch die Coronakrise logischerweise für viele Unternehmen zu einem großen Problem.

Der Service, den Sie anbieten, wurde also bislang bei den meisten Unternehmen intern geleistet?

Das ist richtig. Bei den meisten Unternehmen kommt hinzu, dass der Service dort bisher nicht in einer Qualität vorhanden war, der wichtige Betrachtungsweisen zugelassen hat. Die Daten haben häufig nicht zusammengepasst oder die Belastbarkeit der Daten war nicht gegeben. Vielfach lagen die Daten auch nicht in digitaler Form vor. Mit der Qualität, Verfügbarkeit und dem Detailgrad unserer Daten machen wir viele Betrachtungen und Ableitung überhaupt erst möglich. Das ist auch der Grund für unseren Durchbruch am Markt.

Sie bieten mit Ocean Insights eine große Datensammlung an. Wo stammen diese Daten her? Beziehen Sie diese von externen Quellen oder erheben Sie selbst konkrete Daten?

Tatsächlich erheben wir auch selbst Daten. Zusätzlich beziehen wir aber auch weiteres Datenmaterial von unterschiedlichen Quellen und führen diese mit smarten Algorithmen zusammen. Das ergibt ein bisher unerreichtes Qualitätsniveau.

Wie werden diese Daten dem Kunden zur Verfügung gestellt?

Wir bieten die Daten über eine Programmierschnittstelle (API) zur Einbindung in die Software an. Somit kann der Kunde die Daten direkt in seine eigenen Prozesse einbinden. Wir haben aber auch eine Weboberfläche, die sehr einfach und intuitiv zu bedienen ist. Damit kann jeder Kunden vom einen auf den anderen Tag starten. Das Verhältnis von integrierter Lösung und Web-Lösung ist ungefähr 50/50 bei unseren Kunden.

Inwiefern erschweren die unterschiedlichen Systeme der Kunden die Integration von Ocean Insights?

Die Integration gelingt unseren Kunden in der Regel sehr schnell. Diesen Schritt überlassen wir auch den Kunden, da diese ihre eigenen Systeme und Schnittstellen noch besser kennen.

Vor einigen Wochen wurde bekannt, dass Ocean Insights von Project44 gekauft wurde. Wie kam es zu der Übernahme?

Die Gespräche liefen über mehrere Monate. Es zeichnete sich sehr früh ab, dass sich beide Firmen sehr gut ergänzen würden. Und gemeinsam einen Bedarf im Markt bedienen könnten. Wir bei Ocean Insights haben immer häufiger gesehen, dass die Container-Visibility im Seefracht-Bereich gegeben ist, viele Kunden aber End-to-End-Visibility haben wollen. Hier liefert Project44 im Bereich Straße die entsprechenden Daten in Europa und der USA. Zusammen können wir unseren Kunden somit künftig das mit Abstand beste Produkt im Bereich End-to-End-Visibility anbieten. Über die vergangenen Jahre gab es hierzu dann immer wieder Gespräche zwischen beiden Parteien. Letztlich ging der Impuls dann von Project44 aus.

Gab es für Ocean Insights nicht die Möglichkeit ihr Produkt aus der Seefracht auch auf andere Verkehrsträger zu übertragen?

Nein, hierfür sind die einzelnen Domänen zu unterschiedlich und benötigen jeweils ganz eigene Expertise. Allein das Trucking in Europa und Nordamerika läuft mit Blick auf die Regularien oder die technische Herangehensweisen ganz unterschiedlich. Unser Tracking auf dem Ozean läuft dann nochmal ganz anders. Es macht daher Sinn, die beiden Marktführer zusammenzubringen. Die bisherige Resonanz aus dem Markt zeigt uns auch, dass dies die richtige Entscheidung war. Im Fokus steht nun, schnellstmöglich eine intermodale Lösung für unsere Kunden zu schaffen.

Würden Sie also sagen, dass Ocean Insights mit dem Geschäftsmodell an natürliche Grenzen gestoßen ist?

Ja und Nein. Es war nie unsere Strategie in die End-to-End-Visibility hineinzugehen, da wir wussten wo unsere spezifische Expertise liegt. Wir wollten daher ganz speziell im Bereich Ocean unser Produktportfolio ausbauen. Das werden wir auch weiterhin tun. Wir wollen als Ocean Insights innerhalt von Project44 weiterhin unsere Kunden im Bereich Ocean bedienen und in allen Belangen beim Thema Seefracht unterstützen. Gleichzeitig tragen wir dazu bei, das End-to-End-Visibility-Produkt von Project44 voranzutreiben und mit unserem Ocean-Anteil rund zu machen. Zusammen haben wir nun eine große Solidität um große und anspruchsvolle Kunden weltweit bedienen zu können.

Wird es Ocean Insights dann auch langfristig noch geben oder wird das Unternehmen vollständig in Project44 aufgehen?

Wir sind nun Teil der Project44-Familie, wollen mit unserer Expertise das Portfolio von Project44 ergänzen. Unter welchem Namen das künftig geschehen wird, ist noch nicht entschieden. Ocean Insights ist aber natürlich ein naheliegender Markenname.

Lassen Sie uns zum Abschluss noch den Blick in die Zukunft werfen. Wo wollen Sie mit Ocean Insights und Project44 in fünf Jahren stehen?

Wir wollen im Zusammenschluss weiter den Fokus auf Supply-Chain-Visibility legen. Gerade an der Schnittstelle zwischen Ocean und Landtransport gibt es einen Daten-Schatz, den wir gemeinsam heben wollen und für unsere Kunden bis auf Waren-Ebene qualitativ hochwertige Aussagen treffen können. So haben unsere Kunden Daten zur Verfügung, um die entsprechenden strategischen Entscheidungen zu treffen. Wir wollen mit Project44 der volumenmäßig größte Player in diesem Markt werden und haben uns hierzu jährlich hohe zweistellige bis dreistellige Wachstumsraten vorgenommen.

Ocean Insights ist ein Logistik Start-Up aus Hong Kong. Das  Produkt des Startups konsolidiert alle Fahrpläne von Container Shipping Lines und stellt diese wie auf einer Flug-Suchmaschine online dar. Durch Zugriff auf weltweite Satellitendaten, ist Ocean Insights in der Lage ein Container Tracking System anzubieten. Ocean Insight wurde 2012 gegründet und versteht sich als Pionier auf dem Gebiet der Seefrachttransparenz, indem es Reederdaten, Echtzeit-Schiffsverfolgung und Fahrplandaten in einer datenreichen Plattform kombiniert. Ocean Insights überwacht nach Eigenangaben täglich rund 350.000 Container und bietet Track & Trace-Funktionalität für die meisten Reedereien, 700 Seehäfen und mehr als 5.000 Schiffe sowie über fünf Millionen Fahrplanänderungen pro Tag. (fw)

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