Logistikwissen zum Durchstarten

Wie die Interaktion von Fahrerlosen Transportfahrzeugen mit der VDA 5050 funktioniert, testeten beim AGV Mesh-Up dieses Jahr 7 Unternehmen sowie das Fraunhofer IML live.
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Open Source Software für das Lager der Zukunft
Von DVZ Redaktion

Die Gründe für eine Automatisierung der Intralogistik sind vielfältig: Erhöhung des Durchsatzes, Optimierung der Kommissionierprozesse oder fehlendes Personal, um nur einige zu nennen. Moderne Intralogistiklösungen bieten zusätzlich zum eigentlichen Funktionsumfang bereits zahlreiche Möglichkeiten, um beispielsweise Standort, Zustand oder den Energiestatus digital zu analysieren oder Aufträge zuzuweisen.

Oftmals sind solche Funktionen bisher nur hersteller- und produktspezifisch möglich. Der Lageralltag in vielen Unternehmen ist jedoch geprägt von unterschiedlichen Lösungen verschiedener Hersteller. Diese miteinander zu vernetzen, so dass sie in einer Datensprache kommunizieren können, ist oft noch nicht möglich. Für Anwender hätte eine solche Vernetzung jedoch entscheidende Vorteile: Zum einen ließe sich so ein Systemüberblick darstellen und auf eventuelle Fehler reagieren. Zum anderen wäre eine noch effizientere Planung und Auslastung der Geräte möglich, weil sie sich so flexibel orchestrieren lassen.

Optimierung mit Open Source Software

Hardware-seitig schöpfen Intralogistiklösungen bereits vieles, wenn nicht gar alles aus. Wirkliche Optimierungspotenziale schlummern hingegen noch auf der IT-Ebene der Systeme. Open-Source-Software oder offene Schnittstellen-Standards bieten hier sowohl größtmögliche Flexibilität wie auch die Umsetzung individueller Anforderungen für den Anwender. Und dabei geht es auch um Vereinfachung durch Vereinheitlichung. Ein Beispiel: Weil Europaletten in ihren Eigenschaften (Größe, Gewicht, Verarbeitung etcetera) standardisiert sind, haben sich Hochregale, Fördertechnik, Stapleranbauten und andere Systeme darauf angepasst. Auf solchen Vereinheitlichungen fußt heutzutage die Effizienz der Logistikprozesse. Bisher waren solche Standardisierungsansätze vor allem auf Hardware beschränkt, nun folgt verstärkt die IT-Ebene.

Erste Ansätze bei den FTS

Einen ersten Vorstoß in diese Richtung gibt es für Fahrerlose Transportsysteme (FTS). Diese werden bereits seit einigen Jahren in Lager und Produktion vermehrt eingesetzt. Technologisch haben sich die Fahrzeuge erheblich weiterentwickelt und können daher automatisiert in den Materialfluss integriert werden. Das haben einige Kundenbranchen der Maschinenbauer frühzeitig erkannt. Eine der ersten, die auf den Bedarf einer Vernetzung der Fahrzeuge unterschiedlicher Hersteller hinwies, war die Automobilindustrie. Hier werden zunehmend klassische Produktionslinien zugunsten von flexiblen Fertigungsinseln abgelöst, für deren Versorgung FTS eine wichtige Rolle spielen.

Deshalb haben der Verband der Automobilindustrie (VDA) und der VDMA-Fachverband Fördertechnik und Intralogistik bereits 2017 eine Projektgruppe zur Definition von Schnittstellenanforderungen gegründet. Ziel war es, die Möglichkeit zu schaffen, dass unterschiedliche Fahrzeuge in einer Datensprache kommunizieren können. Mit fachlicher Unterstützung des KIT Instituts für Fördertechnik und Logistiksysteme IFL entstand so die erste Version der Open-Source-Schnittstelle VDA 5050.

Umfassende Kommunikation

Mittlerweile liegt die Kommunikationsschnittstelle in der Version 2.0.0 vor. Darüber können einerseits Fahraufträge an die übermittelt werden. Andererseits lassen sich auch die Statusdaten der Fahrzeuge, wie beispielsweise Position und Ladezustand, abrufen. Zusätzlich sind auch Parameter definiert, die die Fahrzeuge herstellerspezifisch an das Leitsystem übermitteln. So weiß das Leitsystem direkt, welcher Fahrzeugtyp eingebunden ist und kann Aufträge spezifisch vermitteln.

Diese Art des Flottenmanagements hat verschiedene Vorteile: Da mit der VDA 5050 nur ein Leitsystem für alle FTF und Autonome, mobile Roboter (AMR) notwendig ist, werden auch Wartung und Upgrades von angrenzenden IT-Systemen einfacher und günstiger. Das gilt auch für Erstinbetriebnahmen. Gemeinsame Verkehrswege ermöglichen eine bessere Nutzung der Flächen. Darüber hinaus lassen sich die Fahrzeuge so besser auslasten, was bedeutet, dass die Flottengrößen optimiert werden können.

Ein Blick in die Zukunft

Da die Digitalisierung nicht am Lagertor aufhört, sondern vor allem auch Industrie und Produktion betrifft, setzt sich im Maschinen- und Anlagenbau zunehmend OPC UA (Open Platform Communications United Architecture) als Standard für den Datenaustausch durch. Das bedeutet, dass Maschinendaten (Regelgrößen, Messwerte, Parameter etcetera) herstellerübergreifend maschinenlesbar semantisch beschrieben und übermittelt werden können.

Auch die Intralogistikhersteller im VDMA diskutieren die Möglichkeiten eigener Companion Specifications (branchenbezogene Datenstandards). Überschrieben sind diese Aktivitäten mit „M2X Intralogistics Communication“. Damit sind Kommunikationsprozesse zwischen Intralogistiksystemen und anderen im Lager oder in der Produktion befindlichen Systeme gemeint, der sogenannte „Handshake“.

Ein Zukunftsszenario: ein FTS erhält einen Transport-Auftrag von einem übergeordneten System. Das kann ein ERP- oder Warehouse-Management-System sein, oder aber auch eine Maschine in der Produktion. Es nimmt den Auftrag an und berechnet seinen Fahrtweg. Auf dem Weg liegende Infrastruktur oder auch andere Fahrzeuge registrieren das Fahrzeug und melden ihm den eigenen Status zurück: Ist ein Tor geöffnet oder geschlossen? Hat das Shuttle den Auftrag zur Abholung bereitgestellt?

Systeme optimieren sich selbst

Die Möglichkeiten, Intralogistiksysteme zu befähigen, sich selbst zu optimieren, wachsen also. Gleichzeitig ist ein Trend zu Open-Source-Lösungen zu sehen. Natürlich wird das nicht die „Universal-Lösung“ für künftige Automatisierungsprojekte sein. Individuelle Anforderungen und die Ausgestaltung der Prozesse sind maßgebliche Entscheidungsfaktoren. Wenn jedoch die Wahl auf eine dezentrale autonome Intralogistik fällt, bedeutet es, dass bestehende Materialfluss-Prozesse an die neuen Kommunikationsstrukturen angepasst werden müssen. Dafür ist es auch notwendig, auf Anwenderseite IT-Kompetenz für die eigenen Logistikprozesse aufzubauen. Ergänzend bieten sich Partnerschaften mit IT-Systemanbietern im Bereich Intralogistik an.

Dieser Beitrag wurde von Andreas Scherb verfasst. Er leitet die Fachabteilung Fahrerlose Transportsysteme innerhalb des VDMA-Fachverbands Fördertechnik und Intralogistik.

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