In verschiedenen Strafverfahren vor dem Amtsgericht Tübingen konnte nachgewiesen werden, wie Zustellfahrer vorgegangen sind, um den Inhalt von mehr als 500 Amazon-Paketen zu stehlen. Vier Täter wurden vom Tübinger Amtsgericht zu Freiheitsstrafen zwischen ein und zwei Jahren verurteilt. Ein weiteres Verfahren startet am Donnerstag dieser Woche (27.7.2023), für das sechste steht noch kein Termin fest. Alle Beschuldigten, beziehungsweise Verurteilten arbeiteten nach derselben Methode.
Die Aufklärung ins Rollen gebracht hatte ein Subunternehmer von Amazon, der Verdacht geschöpft hatte, weil es auf bestimmten Touren immer wieder zu Unregelmäßigkeiten gekommen war. Er erstattete Anzeige und kam mit einer Liste von Verdächtigen zur Polizei.
Die Tübinger Kriminalpolizei richtete eine Ermittlungsgruppe ein und baute unter anderem versteckte Kameras in die Lieferfahrzeuge ein. Die Kameras filmten das Vorgehen der Diebe: Die wählten gezielt flache Sendungen aus, auf denen Hinweise standen, dass sich im Paket ein elektronisches Gerät mit Akku befindet. Bei den Päckchen lösten sie die Kleber der Verpackung, indem sie die Päckchen vorne auf die Lüftungsschlitze der Heizung im Armaturenbrett legten oder sie vorsichtig mit einem Feuerzeug erhitzten. Dann nahmen sie die Ware aus dem Paket und ersetzten sie mit ähnlich großen Dingen wie einem Buch oder einem Klammerhefter. Teilweise wurden nach dem Austausch auch die Adressaufkleber von verschiedenen Paketen getauscht. Immer aber wurden die Pakete zugestellt, nur eben mit falschem Inhalt von viel geringerem Wert als die Handys, auf die es die Diebe wohl hauptsächlich abgesehen hatten. Durch die Ablieferscannung konnten die Paketzusteller für eine Weile ihr kriminelles Tun verschleiern.
Weil die Diebe Geständnisse abgelegt hatten und nicht vorbestraft waren, hatte auch die Staatsanwaltschaft beantragt, die Strafen zur Bewährung auszusetzen. Außerdem müssen die Täter Amazon den entstandenen Schaden ersetzen. Teilweise gab es weitere „erzieherische“ Bewährungsauflagen. So muss ein Täter, der jetzt in Rumänien sein Geld als Lkw-Fahrer verdienen will, innerhalb eines Jahres seine Lkw-Prüfung nachweisen. Die Aktenzeichen der abgeschlossenen und rechtskräftigen Fälle lauten: 8LS42JS3717/23; 8DS42JS3724/23; 5DS42JS3714/23; 18DS42JS3718/23.
Ein Beitrag von Ludwig-Michael Cremer